Lifetime memories: mit dem Zug durch die wilde Landschaft Kanadas. Foto: VIA Rail

Mit dem Zug durch Kanada

Entdecke das „Slow Travelling“ mit einer VIA Rail-Zugreise von Toronto, Ontario, nach Vancouver, British Columbia

by Becky Mumby-Croft

Mit seinen majestätischen Bergen, endlosen Prärien und modernen Städten ist Kanada eine der vielfältigsten und dynamischsten Gegenden der Welt. Dazu kommen sehr freundliche Menschen und eine tolerante Kultur – eine absolute Traumdestination also, vor allem, wenn du sie mit dem Zug von Küste zu Küste entdecken kannst. Kanadas staatliche Eisenbahngesellschaft, VIA Rail, bringt dich von Toronto, der größten Stadt des Landes, durch die flache Prärie und die majestätischen Rocky Mountains an die milde Westküste (und umgekehrt). Diese Zugstrecke ist eine der beliebtesten der Welt!

Ohne viele Zwischenstopps brauchst du auf dem Canadian (so der Name der Strecke) etwa vier Tage, um einmal quer durch den Kontinent zu reisen. Wir empfehlen dir aber, dir Zeit zu nehmen und unterwegs in ein paar kleineren Städten und Nationalparks Halt zu machen.

Eine herrliche Landschaft vor dem Fenster und dazu das entspannende Rattern der Lok – es ist Zeit für dein episches Kanada-Abenteuer!

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Toronto

Ehe du dich in dein Abenteuer stürzt, solltest du dir einen Tag Zeit nehmen, um Toronto zu entdecken. Die Stadt ist ein echter Multi-Kulti-Schmelztiegel mit modernen Gebäuden, vielen historischen Sehenswürdigkeiten und jeder Menge Museen. Ach ja, und du könntest jederzeit Drake über den Weg laufen … Egal, wo du gerade bist, du siehst immer den CN Tower. Und falls du keine Höhenangst hast, solltest du unbedingt hoch auf den Turm und die Aussicht auf die Stadt und ihre bunten Viertel genießen. Für Hockey-Fans ist ein Spiel der Toronto Maple Leafs in der Scotiabank Arena ein absolutes Muss.

In Ontarios Hauptstadt leben viele Kulturen zusammen – kein Wunder also, dass es eine Vielzahl von Geschmacksrichtungen gibt, die dir das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Wie wäre es mit einem Abstecher zur Chef‘s Hall in Downtown? Der Markt wird von den innovativsten Küchenchefs der Stadt betrieben und an den vielen Ständen bekommst du einen Vorgeschmack auf die vielfältige Gastro-Szene von Toronto. Hier ist richtig was los – und es ist die Location, um die coolsten Foodies von Toronto zu treffen. Die Stände wechseln immer wieder, aber wenn du die Gelegenheit hast, schau bei Ramen Isshin vorbei und lass dir das Roasted Garlic Shoyu schmecken, reichhaltige, sämige Suppe mit Wellennudeln und chashu-Schweinebauch. 

Von Toronto nach Winnipeg

Seit den 1960er-Jahren fahren die VIA Rail-Züge von der Toronto Union Station im Finanzdistrikt der Stadt ab. Wo du in den Zug einsteigst, hängt von der Klasse ab, die du gebucht hast – schau also besser nochmal auf deinem Ticket nach. Aber unabhängig von der Klasse haben alle Fahrgäste Zugang zu den Speisewagen und zum Skyline-Wagen, der zusätzliche Fenster hat, aus denen du noch mehr von der atemberaubenden Landschaft Kanadas sehen kannst.

Wenn der Zug das quirlige Stadtzentrum verlässt, kannst du beobachten, wie der CN Tower langsam am Horizont verschwindet. Die Stadt verblasst immer mehr – an ihrer Stelle tauchen die Great Canada Shields auf, eine Landschaft, die sich über Kanada und den Nordosten der USA erstreckt. Du fährst durch sumpfige Feuchtgebiete, die sich irgendwann in ruhige Seen verwandeln, in denen sich der weite Himmel spiegelt. Weiter geht es durch Nadelwälder, in denen die Tannen so hoch stehen, dass du dich wie eine Ameise fühlst. Wenn du nicht gerade damit beschäftigt bist, die vorbeiziehende Landschaft zu genießen, kannst du dir im Speisewagen einen Brunch mit Räucherlachs und Rührei gönnen.

Die Fahrt von Toronto nach Winnipeg dauert rund 36 Stunden, hat aber einige kurze Zwischenstopps auf dem Weg, darunter Sioux’s Lookout. Hier kannst du dir die Beine vertreten oder ganz aussteigen, wenn dir nach einer längeren Pause zumute ist.

Winnipeg in Manitoba, auch das „Tor zum Westen“ genannt, ist eine ehemalige Industriestadt. Als dieser Teil der kanadischen Prärie in den 1800er-Jahren für die Eisenbahn erschlossen wurde, erlebte Winnipeg einen wahren Boom an Zugezogenen und Touristinnen und Touristen. Heute nennen die Locals die Stadt gerne einfach nur „Peg“. Weil Winnipeg eine der kältesten Städte der Welt ist, gibt es jede Menge Indoor-Kulturaktivitäten zu entdecken. Die Stadt ist Heimat des kanadischen Royal Winnipeg Ballet, des Royal Manitoba Theatre Centre und vieler anderer Museen und Kulturerbestätten, die einen Abstecher wert sind. Ehe du dich wieder zum Canadian aufmachst, schau dir im Theater einen Blockbuster wie Network oder The Three Musketeers an.

Von Winnipeg nach Saskatoon

Bei deiner Abfahrt in Winnipeg lässt du die endlosen Seen und hohen Farne Manitobas hinter dir und reist in das Herz und die Seele der kanadischen Prärie. Hier wirst du von endlosen Gras- und Weizenfeldern empfangen, die sich bis zum Horizont erstrecken. Während der Zug durch Kanadas Kornkammer pflügt, tauchen hier und da Farmen oder kleine Enklaven auf. Diese weiten Ebenen führen dich aus Manitoba heraus, direkt nach Saskatchewan. Hin und wieder erzählt eine Stimme aus dem Lautsprecher mehr über die Bedeutung dieser Region für das gesamte Land.

In Saskatoon, Saskatchewan, angekommen, solltest du unbedingt einen Halt einlegen. Hier rangeln gläserne Wolkenkratzer mit den großen Bäumen um Platz. Durch die Stadt fließt der Saskatchewan River, acht Brücken verbinden die beiden Uferseiten, weshalb die Stadt von den Einheimischen auch „Paris der Prärie“ genannt wird. 

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Saskatoon ist nach einer Beere benannt, die hier wächst. Die tiefviolette Frucht, die auf Deutsch übrigens Erlenblättrige Felsenbirne heißt, hat einen einzigartigen Geschmack, der an eine Blaubeere erinnert, aber mit einem süßen, mandelartigen Nachgeschmack. In der Stadt liebt man diese einheimische Delikatesse. Und überall findest du kleine Läden, die ihren ganz eigenen Saskatoon Berry Pudding anbieten.

Wenn du der Beere ein bisschen mehr auf die Spur kommen möchtest, lass das Stadtzentrum hinter dir und mach dich auf zur Berry Barn. Auf dieser idyllischen Farm dreht sich alles um das geliebte Früchtchen. Im Hofladen kannst du gefrorene Beeren zum Mitnehmen kaufen. Wobei – vielleicht ist das keine so gute Idee für eine Zugfahrt … Gönne dir stattdessen im Restaurant der Farm lieber ein Stück Saskatoon Berry Pie, einen mit Saskatoon-Beeren gefüllten und mit Eiscreme servierten Blätterteig.

Von Saskatoon nach Edmonton

Wenn du Saskatoon verlässt, hast du schon gut die Hälfte deines Zugerlebnisses durch Kanada hinter dir. Die flachen goldenen Felder der Prärie ziehen am Fenster vorbei und verwandeln sich langsam in sanfte, üppig grüne Hügel, zwischen denen muntere Flüsse auf große, träge Wasserflächen treffen.

Auf diesem Teil deiner Zugreise überquerst du die Railway Trestle Bridge in der Nähe des Städtchens Fabyan. Die 1908 erbaute, gewaltige Stahlbrücke ist 845 Meter lang und erhebt sich 60 Meter über den Battle River. Hier liegt die Grenze zwischen Saskatchewan und Alberta, der viertgrößten Provinz von Kanada. Während du auf die Hauptstadt Edmonton zufährst, erscheint der riesige North Saskatchewan River und begleitet dich bis in das Stadtzentrum.

Edmonton hat zwar den Ruf, lediglich ein Verkehrsknotenpunkt zum nördlichen Zipfel Kanadas und zum beeindruckenden Jasper National Park zu sein. Aber es lohnt sich auf jeden Fall, ein oder zwei Tage zu bleiben, um die Heimatstadt von Michael J. Fox zu erkunden.

Dein erster Stopp sollte die Art Gallery of Alberta sein, ein Gebäude, dessen Äußeres genauso imposant ist wie die Kunst im Inneren. Der Fluss und die Polarlichter inspirierten den Architekten Randall Stout, einen Schützling von Frank Gehry, zum Entwurf des aus lauter einzelnen Boxen bestehenden Gebäudes und der hoch aufragenden Stahlkurven. Das architektonische Meisterwerk beherbergt fast 8.000 Kunstwerke, hauptsächlich von kanadischen Künstlerinnen und Künstlern.

Abends solltest du zur Whyte Avenue schlendern, die südlich vom Stadtzentrum liegt. Diese niedliche Straße mit ihren urigen, zweistöckigen Holzhäusern steht heute unter Denkmalschutz. Sie befindet sich in der Nähe der Edmonton University und verströmt mit ihren kleinen Cafés und Läden echtes Bohème-Flair.

Von Edmonton nach Jasper

Nach einer kurzen Auszeit in Edmonton ist es Zeit, den richtig spektakulären Teil deiner Reise anzutreten, denn jetzt erhascht du zum ersten Mal einen Blick auf die Rocky Mountains.

Kanadas beeindruckendste Gebirgskette erstreckt sich über 4.800 Kilometer und ist bei den Menschen in Kanada und den USA gleichermaßen beliebt. Aus dem Zugfenster betrachtet, wirken die Berge vor dem endlosen blauen Himmel fast surreal groß. Der Zug fährt parallel zum Athabasca River, auf der anderen Seite ragen die atemberaubenden Berggipfel empor.

Irgendwann mündet der Fluss in gigantische Süßwasserseen, in denen sich die fast wie Emojis wirkenden Berge spiegeln. An dieser Stelle solltest du unbedingt in den Skyline-Wagen wechseln!

Der Bahnhof von Jasper besteht aus einem malerischen Bahnwärterhaus, das im Schatten der Rocky Mountains liegt, und dient als Tor der VIA Rails zu Kanadas größtem Nationalpark. Selbst wenn du eher ein Stadttyp bist, lohnt es sich, bei deiner Ankunft ein bisschen Abenteuer-Outdoor-Lifestyle zu erleben. Der Jasper National Park gehört zum UNESCO-Welterbe und bietet eine beeindruckende Vielfalt an von Menschenhand geschaffenen und natürlichen Wundern. Der Maligne Lake, ein von Gletschern gespeister See, ist ebenso beeindruckend wie der Glacial Walk, ein gläserner Steg, der 280 Meter über dem Grund verläuft. Außerdem kannst du jede Menge Wildtiere beobachten, wie Grizzlys, Elche und Dickhornschafe.

Von Jasper nach Kamloops

Keine Sorge, die Rocky Mountains begleiten dich noch ein bisschen. Nach der Abfahrt am Bahnhof von Jasper geht die Zugstrecke weiter durch den Nationalpark. Als Erstes fährst du durch Tunnel, die in den Berg gebaut wurden. Anschließend geht es weiter zum Yellowhead Pass, einem Gebirgspass, der die Kontinentale Wasserscheide (Continental Divide) durchschneidet.

Eine wahre Fantasielandschaft mit fast türkisen Seen und Wolken, die sich fast schon zärtlich an die Berghänge schmiegen. Auf diesem Abschnitt passiert der Zug den Mount Robson, den höchsten Punkt der Rockies – hoffentlich verdecken die Wolken nicht den Blick auf diesen majestätischen Gipfel.

Kurz vor der Ankunft in Kamloops fährst du an den Pyramid Falls vorbei. Ihren Namen verdanken sie dem Wasser, das in dreieckiger Formation über den Fels strömt. Du folgst dem North Thompson River bis nach Kamloops. Auch dieses Städtchen ist ideal für Outdoor-Fans, denn es bietet jede Menge Wanderwege und Golfplätze.

Wenn dir nicht so nach Action im Freien ist, kannst du in Kamloops mehr über die First Nations Kanadas erfahren. Die Tk’emlúps te Secwe̓pemc, wie die Natives in dieser Gegend heißen, spielen eine aktive Rolle im Politikgeschehen der Stadt. Das Secwepemc Museum ist ein Park, der sich dem Schutz der Kultur und der Sprache des Secwepemc-Volkes widmet. Auf über vier Hektar gibt es jede Menge Trails und interessante Schautafeln zur Geschichte der Secwepemc.

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Von Kamloops nach Vancouver

Willkommen zum letzten Teil deiner Mammut-Zugfahrt durch Kanada! Die bombastische Landschaft der Rocky Mountains verwandelt sich geradezu dramatisch in eine trockenere Topografie. Jetzt, da wir uns in British Columbia befinden, dürfte dir dieser Teil der Reise mit einer Dauer von gerade einmal sechs Stunden sehr kurz vorkommen.

Der Zug bummelt am Kamloops Lake vorbei, einem großen See, der in den Thompson River mündet. Nachdem er den Thompson River umrundet hat, fährt der Zug schließlich nach Vancouver ein – einem Dreiklang aus Bergen, Meer und städtischer Weite. 

Vancouver ist eine pulsierende Metropole und bietet eine Reihe von Aktivitäten, die dich auf Trab halten – von der exzellenten pazifischen Küche über Kajakfahren auf dem Fluss bis hin zu hippen Cafés. Lass die Wolkenkratzer in Downtown hinter dir und mach einen Spaziergang nach Gastown, dem ältesten Viertel der Stadt. Hier kannst du durch die Kopfsteingassen schlendern und die malerischen viktorianischen Gebäude bewundern. Vergiss nicht, ein Selfie an der Steam Clock zu machen, einer dampfbetriebenen Standuhr, und mach dich dann auf den Weg zum Vancouver Lookout, einem hoch aufragenden brutalistischen Bauwerk, das einen 360-Grad-Blick über die Stadt bietet. 

Wenn du Vancouver in vollen Zügen genossen hast, stellt sich nur noch die Frage: Wohin wird deine nächste Zugfahrt gehen?

Mit dem Zug durch Kanada: nützliche Tipps

  • Der Canadian bietet drei verschiedene Klassen an: Economy Class, Sleeper Plus und Prestige.
  • In der Economy-Klasse gibt es nur Sitzplätze, was nach ein paar Tagen ‌ein bisschen unbequem werden könnte.
  • VIA Rail teilt sich die Gleise mit den Güterzügen – Verspätungen im Zugverkehr sind also keine Seltenheit.
  • Wenn du ein Direktticket von Toronto nach Vancouver (oder umgekehrt) buchst, kannst du nicht nach Belieben ein- und aussteigen. Dafür musst du für jede Haltestelle ein eigenes Ticket buchen.
  • Wenn du ‌auf deiner Zugreise von Toronto nach Vancouver einen Zwischenstopp einlegst, solltest du mindestens 24 Stunden zwischen den Fahrten einplanen, damit du nicht durch Verspätungen aufgehalten wirst.
  • Buche auf jeden Fall alle Tickets vor Antritt deiner Reise, damit du einen Platz im Zug bekommst.