Kannst du den Kaffee riechen? Jede dieser winzigen Bohnen enthält himmlische Aromen. Foto: Zarak Khan/Unsplash

Die europäische Kaffeekultur at its best

Von den Ursprüngen des Kaffees in Äthiopien bis zur einzigartigen Espresso-Kultur in Italien – entdecke anlässlich des Internationalen Tags des Kaffees den besten Kaffee in Europa

by Melek Carkaci

Ob Aficionados, Übermüdete, Koffeinjunkies oder Hipster – sie alle lieben den Duft von frisch geröstetem Kaffee. Bitter und voller Aromen, robust und weich zugleich: Die schwarzen Bohnen werden mit viel Sorgfalt gemahlen und gepresst, bis der perfekte Kaffee entsteht. Die ehemals als „Frucht des Teufels“ verschriene Pflanze ist heute die Grundlage für eines der beliebtesten Getränke und wird von Millionen von Menschen rund um den Globus – und rund um die Uhr – konsumiert. Wenn du jemals eine Nacht durchmachen oder eine harte Arbeitswoche überstehen musstest, war Kaffee dein Helfer, dein Muntermacher, dein Freund.

Aber echte Kaffee-Connaisseure wissen, dass hinter dem Heißgetränk mehr steckt als der schnelle Koffeinkick. Hast du Lust auf eine genussvolle Reise, lies weiter! Wir erzählen dir mehr über die Ursprünge des Kaffees, von Äthiopien bis Italien, und all die aufregenden Röstaromen in Frankreich, Spanien und darüber hinaus. Also schenk dir eine Tasse Kaffee ein, lehn dich zurück und genieße den Geschmack des schwarzen Goldes.

Am Anfang waren ein Hirte, Ziegen und roten Beeren

Wir sind alle fasziniert von Entstehungsgeschichten – und an Mythen mangelt es der Geschichte des Kaffees nun wirklich nicht. Eine Legende besagt, dass ein junger äthiopischer Hirte die stimulierende Wirkung der roten Beeren als erster entdeckte, als nämlich seine Ziegen nach dem Grasen regelrecht wild wurden. Laut einer anderen Legende verbrannten bei einem Waldbrand auch einige Kaffeepflanzen und erfüllten die Luft mit dem Duft gerösteter Bohnen. Ach, wie gerne wären wir dabei gewesen!

Jenseits dieser eher zweifelhaften Erzählungen erklärt die Wissenschaft, dass die Geschichte des Kaffees tatsächlich in Äthiopien begann. Allerdings schon deutlich früher: Bereits in prähistorischen Zeiten konsumierten die Menschen Kaffee als Verjüngungsmittel – eine Eigenschaft, die sich im allerersten Namen, „kahwa“ widerspiegelt. Denn das bedeutet so viel wie „etwas, das erfreut und belebt“.

Im 15. Jahrhundert wurden Kaffeebohnen aus Moka im Jemen ins Osmanische Reich, nach Persien und Nordafrika exportiert. In diesen muslimischen Ländern wurde Kaffee schnell zum Getränk der Wahl, weil er eine Art nüchternen Rausch versprach – als Alternative zum Alkohol, der im Islam verboten ist.

Die westliche Welt entdeckte ihre Vorliebe für Kaffee im 16. Jahrhundert, als die Bohnen in Venedig als medizinisches Präparat eingeführt wurden. Aber erst im 17. und 18. Jahrhundert verbreitete sich das Getränk in ganz Europa.

Von der Pflanze in die Tasse

Die zwei häufigsten Kaffeepflanzen in der Welt sind Arabica und Robusta, die jeweils ein ganz eigenes Geschmacks- und Nährstoffprofil aufweisen.

Coffea arabica wächst in höheren Lagen und liefert einen milden Aufguss (oder Brew) mit einem reichen, kräftigen und leicht säuerlichen Aroma und einem Koffeingehalt von 0,8 bis 1,5 Prozent. Die Pflanze stammt zwar ursprünglich aus Äthiopien, aber der größte Teil des heutigen Anbaus kommt aus Mittel- und Südamerika, von der Ostküste Afrikas und aus Asien, und macht etwa 70 Prozent der weltweiten Kaffeeproduktion aus.

Coffea canephora (Robusta) ist eine wilde Sorte aus dem Kongo in Westafrika und wächst in niedrigeren Lagen. Im Vergleich zum Arabica haben die Robusta-Bohnen ein kräftig-bitteres Aroma und doppelt so viel Koffein.

Fun Fact: Der teuerste Arabica-Kaffee der Welt ist Kopi Luwak, der aus Kaffeebohnen hergestellt wird, die aus den Exkrementen des Luwak, einer asiatischen Zibetkatze aus Indonesien, gesammelt werden. Der Verdauungsprozess verleiht dem ungebrochenen Samen einen unvergleichlichen Geschmack. Die Preise liegen zwischen 500 und 1000 € für zwei Pfund Bohnen! Doch bitte achte genau auf die Herkunft des Kaffees oder verzichte im Zweifelsfall, da nicht alle Produzenten so sorgsam auf das Tierwohl achten, wie wir es uns wünschen.

Italienischer Kaffee: eine Geschichte voller Leidenschaft und Expertise

In Italien trinkt man Kaffee nicht allein unterwegs. Vielmehr ist es ein gesellschaftliches Ritual, das existiert, seit 1683 das erste Café in Italien auf dem Markusplatz in Venedig eröffnet wurde. Aber wie konnte ein Land, in dem Kaffee nicht einmal angebaut wird, zum Mekka der Kaffeekultur werden?

Die Italienerinnen und Italiener tranken den Kaffee nicht einfach nur, sondern verfeinerten ihn durch ihr einzigartiges Wissen. So erfanden sie neue Extraktionsverfahren, die sehr anders waren als die ursprüngliche Aufgussmethode aus der Türkei. 1948 entwickelte Achille Gaggia die ultimative Druckextraktionstechnologie – die Geburtsstunde des Espresso, wie wir ihn heute kennen, mit einer höheren Aromavielfalt und einer kompakten Crema, die durch den Luftdruck entsteht. Espresso, der aus Arabica-Bohnen gemacht wird, ist das Herzstück der italienischen Kaffeekultur – ein schnelles, intensives Vergnügen, das man am Tresen einer der allseits geliebten Bars zu jeder Tageszeit aus kleinen Porzellantassen schlürft.

Der Espresso, der in Italien einfach „caffè“ genannt wird, kommt in verschiedenen Zubereitungsarten daher. Und für jeden Geschmack ist etwas dabei:

Der Espresso, der in Italien einfach „caffè“ genannt wird, kommt in verschiedenen Zubereitungsarten daher. Und für jeden Geschmack ist etwas dabei:

  • Klassischer Espresso („caffè“): ein Espresso-Shot (ca. 30 ml)
  • Doppio: doppelter Espresso-Shot
  • Ristretto: ein reduzierter und intensiverer Espresso (ca. 25 ml)
  • Lungo: ein längerer, weniger intensiver Espresso mit doppelt so viel Wasser
  • Cappuccino: 25 ml Espresso mit 1/3 aufgeschäumter und 1/3 heißer Milch
  • Macchiato: Espresso mit einem Schuss Milch
  • Caffè con panna: kräftiger Espresso mit einer Haube aus Schlagsahne
  • Caffè freddo: süßer, kalter Espresso, der mit Eiswürfeln im Shaker gemixt wird
  • Americano: Espresso mit heißem Wasser
  • Caffè corretto: Espresso mit Schuss (Grappa, Sambuca usw.)

Neben den belebten Bars, die zum Tempel des Espressos wurden, markierte die Erfindung der Moka-Kaffeemaschine, die gemeinhin „macchinetta“ (kleine Maschine) genannt wird, eine wichtige sozioökonomische Wende. Denn durch sie hielt diese kulinarische Kunst, die damals den Wohlhabenden vorbehalten war, in allen italienischen Haushalten Einzug.

Hast du nach all der Lektüre Lust auf ein unvergessliches Espresso-Erlebnis? Dann solltest du zum ältesten Café Italiens gehen, dem Caffè Florian, das 1720 auf dem malerischen Markusplatz in Venedig eröffnet wurde. Setze dich auf eine der mit rotem Samt bezogenen Bänke, genieße einen Espresso mit einem Pasticcino und lass dich von der opulenten Einrichtung im Empire-Stil in die goldene Zeit Venedigs beamen.

Neapolitanischer Kaffee: die Krönung des italienischen Espressos

In Neapel gleicht die Kaffeekultur einem Heiligtum. Durch ein intensiveres Röstverfahren werden die Arabica-Bohnen, die mit einem Teil Robusta-Bohnen gemischt werden, dunkler. Dadurch bekommt der Kaffee einen kompakteren Geschmack, ähnlich wie Bitterschokolade, mit ausgeprägten Aromen von gerösteten Mandeln.

In den Bars von Neapel kommen hauptsächlich Handhebelmaschinen zum Einsatz, bei denen der Kaffee langsam und in einem feinen Strahl für rund 30 Sekunden extrahiert wird. Zu Hause benutzen die Italienerinnen und Italiener die cucumella, die typische neapolitanische Kaffeemaschine. Der Kaffee wird in vorgewärmten, dickeren und kleineren Porzellantassen serviert; dazu gibt es traditionell ein Glas Wasser als „Aperitif“, um deine Geschmacksnerven vorzubereiten.

Neben den geschmacklichen Unterschieden gibt es einige Traditionen, die die Kaffeekultur in Neapel noch spezieller machen, wie z. B. der Brauch des caffè sospeso (schwebender oder aufgeschobener Kaffee). Dabei bezahlt man neben dem eigenen Kaffee noch einen weiteren Kaffee, der vom Barista notiert und auf Nachfrage an eine Person ausgeschenkt wird, die sich keinen Kaffee leisten kann. Wenn du also das nächste Mal in Neapel bist, vergiss nicht beim Bestellen „un espresso ed un caffè sospeso, per favore“ zu sagen, um jemanden mit einer Tasse Kaffee glücklich zu machen.

Kein Wunder, dass italienischer Espresso in fast allen europäischen Ländern zur Norm und zur täglichen Routine geworden ist – man findet Espresso-Spezialitäten mittlerweile überall.

Französischer Kaffee: Espresso im Land des Savoir-vivre

Französischer Kaffee ist mehr als eine Pariserin, die ein Croissant in eine Schale Café au Lait tunkt. Im Jahr 1669 führte der türkische Botschafter Soliman Aga am Hofe des Sonnenkönigs Ludwig XIV. das Heißgetränk ein. Und rate mal, was passierte … Der König fand den Kaffee scheußlich und erklärte, er bevorzuge heiße Schokolade!

Heutzutage ist das bittere Getränk voll und ganz im Alltag angekommen, auch wenn viele Französinnen und Franzosen einen immer noch zusammenzucken lassen, wenn sie „expresso“ sagen … Genau wie in Italien wird Kaffee immer an Ort und Stelle getrunken, egal ob ein petit noir (klassischer Espresso) mit Gebäck zum Frühstück oder ein café allongé nach dem Mittagessen im Bistro.

Es gibt nicht den französischen Kaffee, man trinkt auch hier meistens Espresso. Aber es gibt Variationen wie café crème (mit Sahne), café noisette (mit einem Schuss Milch und nicht, wie der Name vermuten lässt, mit Haselnuss-Sirup) oder café allongé (das Äquivalent zum caffè lungo). Zu allen Spezialitäten wird traditionell ein Stück dunkle Schokolade serviert.

Aber eine rein französische Erfindung gibt es dann doch: die French Press. Sie wurde in den 1900er-Jahren entwickelt, doch im Gegensatz zu Italien sind manuelle Kaffeemaschinen nicht mehr en vogue. Heute benutzen die Französinnen und Franzosen vor allem Pod- oder Kapselmaschinen – der neue Liebling in französischen Haushalten.

Im Le Bistrot du Coin in Paris kannst du ein ganz typisches Bistro-Café-Erlebnis genießen. Such dir ein Plätzchen an einem der gemütlichen Tische auf dem Gehweg und bestelle einen französischen Espresso mit selbstgemachtem Schoko-Crepe oder einem Caramel French Toast.

Spanischer Kaffee: Cortado und die Leidenschaft für milchigen Espresso

Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern hat der Kaffee in Spanien etwas langsamer Fuß gefasst, schließlich war der Markt bis 1977 komplett unter staatlicher Kontrolle. Früher konservierte man Kaffeebohnen üblicherweise mit Zucker, der dann beim Rösten karamellisierte und dem spanischen Kaffee sein typisch verbranntes Aroma verlieh.

Im Rest der Welt versteht man unter „spanischem Kaffee“ oft Carajillo, also einen Espresso mit Brandy und Zitronenzeste. Aber das spanische Kaffeeritual beinhaltet viel mehr als nur den Muntermacher, auf den die spanischen Soldaten in Kuba gerne zurückgriffen. Die Spanierinnen und Spanier starten gerne sanft in den Tag – mit einem café con leche (Kaffee mit Milch) und frühstücken erst etwas später. Während des Tages trinkt man nach dem Essen dann gerne einen cortado, also einen Espresso mit einer nicht schaumigen Milchwolke, der in einem kleinen Glas serviert wird.

Wenn es um die Zugabe von Milch geht, hat jede Region ihre eigenen Vorlieben: Während man im Baskenland einen ebaki, eine sehr süße Version des café con leche, mag, trinkt man in Andalusien einen nube oder einen sombra (90 Prozent bzw. 80 Prozent Milch).

Eine herzhaft-süße Kaffeepause kannst du im Lolina Vintage Caffè im quirligen Malasana-Viertel in Madrid genießen. Lass dir zwischen 1970er-Jahre-Deko und psychedelischen Mustern das Brunch-Menü schmecken, das aus Kaffee, Croissant mit Marmelade, einer Schale Tomaten mit Öl, iberischem Schinken und Avocado besteht.

Türkischer Kaffee: Wie und wo alles begann

In den 1500er-Jahren war Kaffee im Osmanischen Reich bereits sehr beliebt, da das Reich seit Langem den Kaffeemarkt kontrollierte. Sogar das allererste Café der Welt wurde hier eröffnet, genauer: im Jahr 1555 in Istanbul.

Türkischer Kaffee spielt bei vielen gesellschaftlichen Traditionen eine wichtige Rolle und macht die miteinander geteilten Momente noch schöner, wie das Sprichwort „Bir fincan kahvenin 40 yıllık hatırı vardır“ (Eine Tasse Kaffee hat 40 Jahre Erinnerung) besagt. Seit Jahrhunderten wird Gästen als Erstes türkischer Kaffee kredenzt, begleitet von typisch türkischen Süßigkeiten.

Ein Merkmal von türkischem Kaffee sind die intensiven Bitteraromen und die dicke Schaumschicht, die sich in der „cezve“, der türkischen Kaffeekanne, bildet, wenn der gemahlene Kaffee langsam aufgebrüht wird. Anschließend wird er in kleine Tassen gefüllt. Genau wie beim Kochen gilt in der Türkei: take it slow. Der Kaffee wird ganz langsam getrunken, vor allem bei den letzten Schlucken, um nicht den Kaffeesatz mitzutrinken. Falls du ihn doch mal erwischst, kannst du ihn mit dem Wasser, das dir zum Kaffee serviert wird, hinunterspülen.

Eine richtig authentische Kaffeezeremonie kannst du im Şark Kahvesi auf dem historischen Großen Bazar in Istanbul erleben. Die rustikale Atmosphäre (wir sagen nur: bunte Wandteppiche, die typisch für die Osttürkei sind) spiegelt sich auch im Kaffee wider, der in einer türkischen Kupferkanne auf erhitztem Sand serviert wird. Dieser Kaffee ist einer der besten türkischen Kaffees in einer Stadt, in der Kaffee eine echte Lebensart ist.